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Der Fechtsaal - Selbst-Darstellung
Der Fechtsaal hat sich zum Ziel gesetzt historische europäische Kampfkünste beginnend mit dem Schwertkampf des Mittelalters bis hin zum Säbelduell der Neuzeit wieder zu beleben. Gemeinsam werden basierend auf historischen Quellen die europäischen Fechtweisen erforscht und die eigenen fechterischen und motorischen Fähigkeiten geschult und weiterentwickelt. Der Fechtsaal versteht unter Historischem Fechten die möglichst authentische Rekonstruktion von europäischen Kampfkünsten, deren gelebte Tradition unterbrochen ist, für die es aber eine wissenschaftlich vertretbare Quellenlage gibt.
Die Umsetzung wird nicht als Sport oder sportlichen Wettkampf angesehen. Die Beherrschung der historischen europäischen Kampfstile wird vom Fechtsaal als Kampfkunst verstanden, d.h. die partnerschaftliche Vervollkommnung der Fähigkeiten der Mitglieder steht im Vordergrund und nicht das sportliche Besiegen eines Trainingsgegners. Dieses Selbstverständnis ist dem Fechtsaal mit asiatischen Kampfkünsten gemein, besinnt sich aber auf die europäische Tradition mit ihrem eigenen Wertesystem.
Der Fechtsaal wurde im Januar 2008 in Krefeld, NRW, Deutschland von erfahrenen historischen Fechtern gegründet und bietet heute den Rahmen über zehn Jahre gesammeltes Wissen wöchentlich durch die Wissbegierigkeit und neue Blickwinkel von Neulingen der historischen Kampfkünste auf den Prüfstand zu stellen. Die gemeinsame Erarbeitung eines umfassenden Verständnisses der historischen europäischen Kampfkünste ist das Ziel des Fechtsaals und nicht die Weitergabe eines selbst-erfundenen reglementierten Kampfsports.
Die Leitgedanken dabei sind:
- Transkribieren
- Interpretieren
- Trainieren
- Verifizieren
Als Grundlage der Transkriptionen (Abschriften) dienen europäische Quellen von 1300 bis 1900. Der Zugang zu diesen Quellen wird in den letzten Jahren verstärkt durch Universitätsbibliotheken gewährt. Dies hat zu einer sehr reichhaltigen Quellenlage mit einer Abdeckung des gesamten europäischen Kulturraums geführt, deren Erarbeitung die kommenden Jahre füllen wird. Der Fechtsaal betreibt in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Historischen Fechtern einige Transkriptionsprojekte. Im Jahr 2012 konnte F. C. Christmann &r. G. Pfeffinger "Theoretisch - praktische Anleitung des Hau = Stoßfechtens und des Schwadronhauens" veröffentlicht werden und somit erstmalig der interessierten Leserschaft zur Verfügung gestellt werden. Aktuell befinden sich mehrere Bücher aus dem Umfeld der Berliner Säbel Schule - Eiselen, Seidler, Lübeck et. al. - in Vorbereitung. Deren Veröffentlichung spätestens Anfang 2014 erwartet wird.
Was lesbar ist, ist selten verständlich und was verständlich ist, kann nur selten einfach umgesetzt werden, daher wird eine Interpretation der möglichen Bewegung erstellt. Diese besteht aus der „Übersetzung“ der „Alten Sprache“ in modernes Deutsch und die Umsetzung des Beschriebenen in Bewegungsabläufe. Die Quellen stellen das Wissen der Zeitzeugen dar, was bei der Interpretation und Umsetzung immer bedacht werden muss, damit daraus eine sinnvolle und originalgetreue Technik extrahiert werden kann. Aber auch die Interpretation selbst muss im zeitlichen Kontext gesehen werden, d. h. nicht nur neue Einsichten in Bezug auf die Quelle, sondern auch Weiterentwicklungen in der modernen Sportwissenschaft prägen die immer als subjektive anzusehende Rekonstruktion.
Die rekonstruierten Bewegungsabläufe werden in einem modernen Trainingskonzept geschult. Eine aufzubauende Fitness ist von Nöten, um die Techniken möglichst präzise einzuüben und im späteren Kontrafechten abrufen zu können. Daher wird das Training in drei Blöcke eingeteilt: 1. Aufwärmen und Motorik Übungen, 2. Technikeinführung und Wiederholung und 3. Kontra-Fechten. Eine Anleihe an historische Übungen erfolgt nur selektiv, um Trainingsziele effektiv zu erreichen und die Verletzungsgefahr weitestgehend auszuschließen.
Die erlernten Bewegungsabläufe werden anschließend auf ihre Tauglichkeit hin im reglementierten Fechtgang – Kontra-Fechten – verifiziert. Dadurch stellen beide Partner fest, inwieweit die Technik in einer Kampfsituation durchzuführen wäre und zu dem, ob sie die Technik ausreichend beherrschen.
Dies führt gegebenenfalls zu einer Ergänzung der aktuellen Interpretation der Bewegungsabläufe, welche dann wiederum in das Training einfließt.
Nur gemeinsam mit einem Trainingspartner kann sinnvoll gelernt werden. Ziel ist die Beherrschung des jeweiligen historischen Fecht- / Kampfstils und nicht das punktemäßige Besiegen eines Gegners. Der Fechtsaal legt Wert auf historische Korrektheit der gelehrten Stile, auch wenn diese Schwachstellen in bestimmten Anwendungsfällen beinhalten sollen. Es wird nicht die unfehlbare Techniksammlung vermittelt, sondern ein umfassendes Verständnis der verschiedenen historisch-belegten und praktisch nachgeprüften europäischen Kampfstile.
Trainingsgeräte sind unter anderem: Simulatoren, zum Beispiel Rattan-Stöcke und stumpfe Blankwaffen mit original Ausmaßen und Gewichten. Bei gegebener Fertigkeit des Mitglieds wird im Fechtsaal stumpfen Stahlblankwaffen Vorrang gegeben, um eine Umsetzung des Fechtstils möglichst nah am historischen Vorbild zu ermöglichen. Die Schutzausrüstung von Olympischen Fechtern und anderen Kampfsportarten findet Anwendung, um optimalen Schutz bei benötigter Beweglichkeit zu erreichen. Die Sicherheit der Trainierenden steht klar im Vordergrund und nicht die historische Korrektheit der Schutzausrüstung.
Überarbeitung der Bewegungsabläufe und der sprachlichen Übersetzung erfolgen kontinuierlich basierend auf den selbst gemachten Erfahrungen und dem Austausch zwischen den Trainingspartnern. Somit wird sichergestellt, dass keine fehlerhafte Interpretation zur Einübung einer unkorrekten Technik führt. Der Fechtsaal ist europaweit vernetzt und tauscht die gemachten Erfahrungen mit anderen europäischen Gruppen aus.
Die aktuellen Trainingsschwerpunkte sind:
- Militärsäbel des 19. Jahrhunderts der Berliner Schule nach Eiselen / Seidler und deren Abgrenzung zu F. C. Christmann (Französische Schule) und Alfred Hutton (Englische Schule). Alle drei Stile decken sowohl das Hieb- als auch das Stoßfechten ab, welches sich stark von vergleichbaren Quellen der Zeit abgrenzt. Zudem zeichnen sie sich durch die Anwendung im militärischen Einsatz aus, welches eine nicht-reglementierte Kampfsituation voraussetzt und somit eine flexiblere Technik vorgibt als zum Beispiel im akademischen oder sportlichen Fechtstilen des 19. Jahrhunderts.
- Lange Messer nach Johannes Lecküchner - Fechthandschrift cgm582 „Das ist herr hannsen Lecküchner von Nurenberg künst vnd zedel ym messer“ von 1482 Das Lange Messer oder Bauernwehr ist eine im Mittelalter weitverbreitete Einschneidige Waffe, die einhändig von nicht-Adeligen geführt wurde, da zwei-schneidige Waffen dem Adelsstand vorbehalten war. Die von Johannes Lecküchner vorgestellten Techniken haben starke Anlehnung an das Fechten mit dem Langen Schwert in der Lichtenauer Tradition.
- Nicolaes Petter’s „Klare Oderrichtige der Voortrefflijcke Worstel-Konst“ aus dem Jahre 1674 gibt einen guten Einblick in die waffenlosen Kampfkünste des 17. Jahrhunderts. Der historische Anwendungsfall ist wohl eher im freundschaftlichen Gebalge zu sehen als in der militärischen Anwendung. Wobei Petter’s als Gastwirt wohl schon den ein oder anderen Knochenbruch bei seinen widerspenstigen Gästen in Kauf nahm. Die Parallelen zu asiatischen Kampfkünsten und moderner Selbstverteidigung sind verblüffend.
Der Fechtsaal ist nicht auf die aktuell als Trainingsschwerpunkte gewählten Kampfstile beschränkt, sondern ermöglicht seinen Mitgliedern in einem gegeben Rahmen ihrem Interesse zu folgen und strukturiert umzusetzen. Die jeweiligen Trainingsschwerpunkte der Gruppe oder des einzelnen wird regelmäßig abgestimmt, um bei Bedarf ein breites Spektrum der historischen europäischen Kampfkünste abzudecken.
Eine Darstellung der Kampfkünste in einem historischen Rahmen ist nicht Zielsetzung. Dies ist ein weiteres Feld, das entsprechende Forschung und Fertigkeiten benötigen würden, die neben einem regelmäßigen Kampfkunsttraining leider zu kurz kommen würde.
Neben dem wöchentlichen Trainingsbetrieb veranstaltete der Fechtsaal bis 2016 zweimal im Jahr ein Ganztages-Seminar (Mittsommerfechten Ende Juni, Adventsfechten Anfang Dezember) mit internationaler Beteiligung. Im Rahmen des Seminars wurden 4-9 Workshops angeboten, die sich mit einem gegebenen Oberthema beschäftigten. Die Trainer kamen von den verschiedenen befreundeten europäischen Kampfkunstgruppen und gaben damit einen Einblick in Ihren Lehrstand und -methodik. Zudem legte der Fechtsaal darauf Wert, dass die Themenumsetzung etwas abseits des normalen Trainingsalltags lagt und somit größeren Raum für den Austausch zwischen Trainer und Teilnehmer ermöglichte. Dieser Austausch wurde themenübergreifend im freien Sparing oder später in geselliger Runde weitergeführt. Für 2019 / 2020 bestehen Überlegungen das Format wiedr aufleben zu lassen.
Gemeinsam werden auch europa-weit Veranstaltungen anderer Historischer Fecht-Gruppen besucht und etabliert hat sich der Besuch des International Sabre Symposiums, welches seit 2018 jährlich in Köln stattfindet. Dadurch wird ein Rahmen geboten, der neben dem Fechtsaal-internen Training weitere Möglichkeiten der Weiterbildung der eigenen Fertigkeiten in den meisten historischen europäischen Kampfkünsten ermöglicht. Somit findet eine fließende Einbindung neu-erlernter/beherrschter Kampfkünste in den Trainingskanon des Fechtsaals statt. Seit 2014 geben wir auch verstärkt unsere Erfahrungen anderen Historischen Fechtern außerhalb des Fechtsaals im Rahmen von Historischen Fecht-Veranstaltungen weiter.
Der Fechtsaal heißt immer Interessierte willkommen und für den ersten Einstieg sind nur normale Trainingskleidung und eine gewisse sportliche Fitness Voraussetzung.